360° Videos: Von der Entstehung bis zum Erlebnis
Sie wollten schon immer einmal wissen, wie eigentlich 360° Videos entstehen? Welche verschiedenen 360° Kameras gibt es? Was muss beim Filmen beachtet werden? Gibt es Unterschiede bei der Nachbearbeitung zur “klassischen Filmbearbeitung”? Und wie können 360° Videos am Besten erlebt werden? Diese Fragen beantworte ich in folgendem Beitrag.
Wie funktionieren 360° Kameras?
Bei der Aufnahme von 360° Videos kommen (meistens) mindestens zwei Kameras zum Einsatz, welche synchron aufnehmen. Jede Kamera des synchronisierten Sets stellt ein Puzzleteil in Form eines aufgenommenen Videoclips dar, diese werden dann zu einem 360° Bild zusammengefügt (dieser Prozess wird als Stitching bezeichnet). Je mehr Kameras gleichzeitig filmen, desto mehr Bildinformationen entstehen. Und je mehr Bildinformationen entstehen, desto schärfer und besser wird das Ergebnis.
Weitwinkelaufnahmen mit einer Kamera
Lösungen mit einer Weitwinkelkamera, wie z.B. der 360fly, schaffen nur eine horizontale 360° Ansicht. Die vertikale Ansicht nimmt eine Perspektive von 240° auf. Der Vorteil bei der Aufnahme mit nur einer Kamera liegt ganz klar bei der Bearbeitung der Videos. Da nur ein Videoclip entsteht, müssen nicht erst mehrere Clips gestitcht (zusammengefügt) werden. Die 360fly eignet sich zudem für Action-Videos mit rasanten Bewegungen und ist mit einem Anti-Shock-System ausgestattet. Mit der entsprechenden Hülle lässt sich die Kamera auch für Unterwasseraufnahmen verwenden.
Weitwinkelaufnahmen mit zwei Kameras
Zwei Kameras mit Weitwinkelobjektiven kommen vor allem bei Consumer-Kameras wie der Theta S oder der Samsung Gear 360 zum Einsatz. Durch den Einsatz von zwei Kameras, welche in entgegengesetzte Richtung zeigen, wird eine 360° Perspektive sowohl horizontal als auch vertikal möglich. Mit der Samsung Gear 360 Kamera wird die Desktop-App “Gear 360 ActionDirector” angeboten. Mit diesem Programm wird das Stitching der Aufnahmen automatisiert vorgenommen. Diese Kamera eignet sich somit gut für Einsteiger oder Hobby-Filmer.
Würfelkonstruktion mit sechs Kameras
Kameraträger, die mehrere Kameras in bestimmten Positionen anordnen, werden Rig genannt. Ein Beispiel dafür ist das “GoPro Omni” Rig. Hierbei handelt es sich um ein Würfelgehäuse, welches auf jeder Seite eine GoPro-Kamera positionieren lässt. Das GoPro Omni Rig übernimmt auch die Synchronisation der sechs Kameras, wobei eine Kamera als Master dient, welche die anderen fünf Kameras mit den Einstellungen versorgt und steuert. Mit diesem Rig können 360° Videos in FullHD produziert werden.
Kreis-Anordnung mit sechzehn Kameras
Das Jump-Rig von Google ist ein kreisförmiger Kameraträger, auf dem sich sechzehn GoPro-Kameras befestigen lassen. In Kombination mit dem Rig “GoPro Odyssey” werden alle sechzehn Kameras synchronisiert. Bei dieser Lösung entsteht außerdem der 3D-Effekt, dass nahe Objekte nah und entfernte Objekte entfernt wirken. Somit lassen sich super hochauflösende Videos produzieren.
360° Aufnahmen durchführen
Bei klassischen Filmaufnahmen steht der Kameramann hinter der Kamera. Auch kann die Beleuchtung durch Scheinwerfer einfach geregelt werden, ohne dass diese später im Bild zu sehen ist. Bei 360° Aufnahmen ist das komplett anders. Eine 360° Kamera “sieht” in alle Richtungen. Dementsprechend ist auch später alles im Video zu sehen. In geschlossenen Räumen sollte die Kamera mit Stativ (oder auch von der Decke hängend) möglichst in der Mitte des Raumes platziert werden, so dass alle Wände einen weitestgehend gleichmäßigen Abstand zur Kamera haben. Denn wenn man sich im Video umdreht und eine Wand zu sehen bekommt, ist eine Richtung der 360° Ansicht schon einmal komplett verschenkt.
Auch lassen sich Kamerafahrten nicht so einfach durchführen wie beim klassischen Film. Zum einen, weil der “Kamerawagen” möglichst nicht zu sehen sein sollte und zum anderen auch nicht die Person, die den “Wagen” bewegt. Hier ist Improvisationstalent gefragt. Professionelle Ergebnisse erzielt man hier mit Drohnen. Hier ist das Ziel, die 360° Kamera so an der Drohne zu installieren, dass die Drohne selbst im Bild nicht zu sehen ist. Dies hat den Vorteil, dass die Drohne in der Nachbearbeitung nicht mehr herausgeschnitten werden muss.
Eine Samsung Gear 360 Kamera auf einer erhöhten Position, um die Umgebung aufzunehmen.
Postproduktion (Nachbearbeitung) von 360° Videos
Die Nachbearbeitung von 360° Videos ist vor allem im professionellen Bereich sehr aufwendig. So benötigt man Profi-Software, um diese überhaupt bearbeiten zu können, wie z.B. “Autopano Video Pro”. Eine große Herausforderung ist das Stitching. Gerade bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen (auf der einen Seite Sonne, auf der anderen Seite Schatten) sieht man schnell die Kanten, an denen die Videos der einzelnen Kameras zusammengefügt wurden. Mit “Adobe After Affects” können diese wegretuschiert werden, was jedoch Profi-Kenntnisse mit diesem Programm erfordert. Doch auch Videoschnittprogramme mit einer größeren Verbreitung, wie z.B. “Adobe Premiere Pro” oder “Final Cut” rüsten nach und erlauben die Bearbeitung von 360° Videos.
Samsung bietet zum Kauf der “Gear 360” ein eigenes Bearbeitungsprogramm an, welches sich jedoch auf das Schneiden der Clips, das Hinzufügen von Übergangseffekten und das Einfügen von Titeln beschränkt. Praktisch ist aber das automatische Stiching und die Möglichkeit, das Video direkt auf Facebook oder YouTube zu veröffentlichen.
In folgendem Video wird die Entstehung von 360° Videos aufgezeigt.
Erleben von 360° Videos
360° Videos können Sie auf mehrere Arten erleben. Doch die eindrucksvollste Art ist das Erleben von 360° Videos mit einer VR-Brille.
360° Videos mit VR-Brillen erleben
Mit VR-Brillen (VR = Virtual Reality) gewinnen Sie den Eindruck, direkt im Video vor Ort zu sein, da die reale Umgebung komplett ausgeblendet wird. Besonders VR-Brillen mit Headset vermitteln diesen Eindruck. VR-Brillen gibt es von günstig bis teuer von Materialien aus Pappe und Plastik, bis hin zu hochwertiger Verarbeitung. Für den Privatgebrauch möchte ich hier drei Varianten von VR-Brillen vorstellen:
- Google Cardboard – Das Google Cardboard ist eine “Bastellösung” aus Pappe, welche 2 Linsen beinhaltet. Hinter die Linsen kann jedes Smartphone, welches über einen Gyroskope-Sensor verfügt, “eingeklemmt” werden. 360° Videos müssen über bestimmte VR-Apps oder über die YouTube-App abgespielt werden, damit diese korrekt im Cardboard “erlebt” werden können. Ich empfehle das Cardboard des Herstellers “Mr. Cardboard”, da die Brille in schickem Design und einigen Extras, wie einem Kopfband aus Gummi oder extra Polsterung, für nur 15 Euro zu erwerben ist.
- Homido Mini – Wenn Sie Ihre VR-Brille problemlos immer dabei haben möchten, empfiehlt sich die VR-Brille Homido Mini. Diese besteht aus zwei zusammenklappbaren Linsen mit einer Plastikhalterung für Ihr Smartphone. Von dem Seherlebnis her steht die Homido Mini dem Google Cardboard in nichts nach und ist ebenfalls für rund 15 Euro zu erwerben. Zusammengeklappt passt diese sogar in die Hosentasche. 😉
- Samsung Gear VR – Mit den Smartphones Samsung Galaxy S6 – S8 lässt sich die VR-Brille Gear VR von Samsung verwenden. Anders wie beim Cardboard oder der Homido Mini liegt die Brille direkt an den Augen, so dass kein Licht von Außen zu sehen ist. Mittels eines Bluetooth-Controllers (muss dazugekauft werden) können bestimmte VR-Apps auf dem Handy gesteuert werden. Der Preis für die Gear VR liegt derzeit bei ca. 60 Euro.
- Daydream View – Die VR-Brille “Daydream View” von Google punktet mit einem Material aus weichem, atmungsaktivem Stoff. Somit ist diese besonders bequem und lässt sich sogar von Hand waschen. Mit dabei ist außerdem ein kleiner Controller, mit welchem Sie in der virtuellen Welt interagieren können. Leider ist das Headset nur mit einigen Smartphones kompatibel (Huawei Mate 9 Pro, ZTE Axon 7, Google Pixel, Motorola Moto Z, weitere sollen folgen). Das Daydream View gibt es für rund 95 Euro.
360° Videos mit dem Smartphone erleben
Auf YouTube, Vimeo und Facebook lassen sich 360° Videos inzwischen anschauen und auch auf Websites einbinden. Wenn Sie also mit dem Smartphone surfen und z.B. auf Facebook auf ein 360° Video treffen, können Sie Ihr Handy durch Bewegung zur Steuerung des Blickwinkels verwenden. Damit dies funktioniert, muss Ihr Handy über einen Gyroscope-Sensor verfügen. Hat es diesen nicht, können Sie das Touchpad zur Steuerung der Perspektive verwenden.
360° Videos am Computer/Notebook erleben
Wenn Sie z.B. auf YouTube am Computer auf ein 360° Video stoßen, können Sie die Maus dazu verwenden, die Perspektive des Videos zu bestimmen. Das ist auf jeden Fall interessanter, als ein “klassisches Video” anzuschauen, da Sie selbst interagieren können. Aber 360° Videos mit einer VR-Brille zu erleben, sollten Sie sich trotzdem nicht entgehen lassen. 🙂
In diesem Sinne: Viel Spaß beim Erleben von 360° Videos!